Porta Westfalica-Hausberge

Im Februar 1945 wurde das dritte Neuengammer Außenlager an der Porta Westfalica eingerichtet. Im Lager am Hausberger Frettholzweg wurden ungefähr 1000 Frauen, meist Jüdinnen aus den Niederlanden, Ungarn und der Tschechoslowakei, in einem Barackenlager gefangen gehalten. Sie mussten in einem Stollen für die Firma Philips bzw. deren deutsche Tochterfirma Valvo Radioröhren herstellen.

Mit den Planungen für die Verlagerung der Philips-Röhrenfertigung in das Wesergebirge war bereits im Oktober 1944 begonnen worden. Unter dem Namen „Stör 1“ waren Produktionsanlagen im oberen Stollensystem des Jakobsbergs eingerichtet worden. Das Philips-Werk erhielt den Tarnnamen „Hammerwerke“.

Für den Einbau der Maschinen wurde ein Häftlingskommando aus ungefähr 175 Männern im KZ Sachsenhausen zusammengestellt und in das Lager nach Barkhausen überführt. Obwohl dieses Kommando ebenfalls im Kaiserhof inhaftiert war, wurde es in den Berichten des Hauptlagers Neuengamme separat als Kommando Hammerwerke geführt.

Die eigentliche Produktion in den Hammerwerken sollte durch weibliche KZ-Häftlinge erledigt werden. Die meisten von ihnen hatten bei ihrer Ankunft in Hausberge bereits eine Odyssee durch verschiedene Lager hinter sich und dort ebenfalls Zwangsarbeit in der Röhrenfertigung leisten müssen. Der Großteil der jüdischen Frauen aus den Niederlanden war zunächst im KZ Herzogenbusch inhaftiert gewesen und später über das KZ Auschwitz-Birkenau und ein Außenlager des KZ Groß Rosen nach Hausberge gelangt – zum Teil auf langen, tödlichen Fußmärschen. Die ungarischen Jüdinnen nahmen zum Teil denselben Weg aus Auschwitz in Richtung Hausberge, eine andere Gruppe war bereits vorher in das Neuengammer Außenlager Horneburg gebracht worden und kam im Zuge der Lagerräumung im Februar 1945 ebenfalls nach Hausberge.

Die überlebenden Frauen berichten davon, dass ihre alltäglichen Lebensumstände ebenso wie in den Männerlagern von Barkhausen und Lerbeck geprägt waren von Mangelernährung, katastrophalen hygienischen Bedingungen, Misshandlungen und Gewalt. Die Arbeit unter Tage konnte nicht produktiv durchgeführt werden, weil es an Rohstoffen und Ausgangsprodukten mangelte.

Nur wenige Wochen vor der Räumung der Lager an der Porta Westfalica wurden mehrere hundert Frauen, die unter anderem aus dem KZ Ravensbrück kamen, im Saal der Gaststätte Kohlmeier in Vennebeck eingesperrt. Über diese Häftlingsgruppe ist bis heute nur wenig bekannt. Mit hoher Wahrscheinlichkeit sollten auch sie in der Philips-Produktion Zwangsarbeit leisten. Warum sie nicht im Lager in Hausberge untergebracht wurden, ist nicht bekannt.

Am 1. April 1945 wurde das Lager in Hausberge, wie auch alle anderen Lager an der Porta Westfalica, geräumt. Nur die Frauen aus dem Lager in Vennebeck wurden vor Ort ohne Bewachung zurückgelassen. Es folgte eine tagelange Irrfahrt in Richtung Norden. Einige der Frauen erreichten das Außenlager Salzwedel, wo sie am 14. April von US-amerikanischen Truppen befreit wurden. Andere kamen über die Außenlager Fallersleben und Helmstedt-Beendorf nach Hamburg, wo sie Ende April/Anfang Mai 1945 befreit wurden.

SS-Standortleiter für die drei Außenlager an der Porta Westfalica war der SS-Obersturmführer Hermann Wicklein, Lagerführer für Hausberge war vermutlich SS-Unterscharführer Peter Hansen, der zuvor das Außenlager Horneburg geleitet hatte.

Zeitraum

Mitte Februar 1945 bis 1. April 1945

Anzahl der Häftlinge

1000 Weibliche Gefangene

Art der Arbeit

Produktion von Radioröhren und Glühbirnen

Auftraggeber

Philips-Valvo-Röhrenwerke

Ort

Wegbeschreibung

Mahnmal Hausberge:
Kirchsiek, Ecke Hauptstraße
32457 Porta Westfalica

Hinweistafel am Hausberger Frettholzweg:
Wanderparkplatz Frettholzweg, Ecke Mindener Weg
32457 Porta Westfalica

Gedenkstätte

Die Baracken, in denen die Häftlinge untergebracht waren, wurden nach dem Zweiten Weltkrieg abgebaut und verkauft. Die letzte Häftlingsbaracke stand noch bis Mitte der 1950er-Jahre, als das Gelände des Lagers für Motorradrennen genutzt wurde. Heute ist die gesamte Lagerfläche wieder in landwirtschaftlicher Nutzung. Eine Erinnerungstafel weist in unmittelbarer Nähe auf die Vorgeschichte des Geländes hin.

In den 1980er-Jahren gab es erste Anstrengungen von Wissenschaftlern, Schülergruppen und Initiativen, die Geschichte der Außenlager des KZ Neuengamme an der Porta Westfalica aufzuarbeiten und öffentlich zugänglich zu machen. Auf der Basis ihrer Arbeit beschloss der Rat der Stadt Porta Westfalica nach langen Diskussionen die Erstellung eines Mahnmals am Grünen Markt in Hausberge, welches 1992 eingeweiht wurde.

Erst 2009 wurde der Verein KZ-Gedenk- und Dokumentationsstätte Porta Westfalica e.V. von Einzelpersonen, Organisationen und Institutionen gegründet, um die Geschichte des Nationalsozialismus und der Außenlager des KZ Neuengamme an der Porta Westfalica aufzuarbeiten und langfristig eine Gedenkstätte aufzubauen. Die Stollenanlage im Jakobsberg, die ehemalige Untertageverlagerung Dachs 1, steht im Mittelpunkt der Gedenkstättenentwicklung. Sie ist in ihrem Erhaltungszustand einzigartig in Nordwestdeutschland. Aktuell kann die Anlage von April bis Juli im Rahmen von Führungen besichtigt werden, eine Voranmeldung über die Webseite der KZ-Gedenk- und Dokumentationsstätte ist hierfür erforderlich. Oberirdische Rundgänge auf den 2014 eingeweihten „Wegen des Erinnerns, Gegen das Vergessen“ werden ebenfalls angeboten.

Eine erste Ausstellung soll 2023 in unmittelbarer Nähe des Kaiserhof-Geländes eröffnen, auf dem 1944 das erste der drei Außenlager an der Porta entstanden ist. Teil der Ausstellung wird eine Vernetzung und Sichtbarmachung der verschiedenen Lagerstandorte im Stadtbild Porta Westfalicas durch dezentrale Ausstellungstafeln sein.

Kontakt

KZ-Gedenk- und Dokumentationsstätte Porta Westfalica e.V.
Kempstraße 1
32457 Porta Westfalica

Email: info@gedenkstaette-porta.de
Homepage: www.gedenkstaette-porta.de