25.08.2017 Bericht

Auf der Suche nach den Gräbern seiner Onkel

Was bewegt einen Menschen aus der Ostukraine, sich mit über 60 Jahren auf den Weg nach Norddeutschland zu machen – auf seine erste Auslandsreise überhaupt?

Mykola Titov war auf der Suche nach dem Schicksal von Iwan und Nikolaj Titov. Das hatte er seiner Mutter versprochen, die bis zu ihrem Tod auf die Rückkehr ihrer beiden Brüder in die Ukraine gehofft hatte. Zehn Jahre nach dem Tod seiner Mutter hat der Sohn versucht, konkrete Spuren seiner Onkel zu finden. Er wohnt in einem Dorf in der Ostukraine, und am Anfang war es kompliziert: Er hat Briefe an verschiedene Organisationen geschrieben, die mit dem Thema beschäftigt sind, aber er hatte keine Antwort bekommen. Erst mit dem Computer, den sein Sohn ihm geschenkt hat, und dem Zugang zum Internet ging alles schneller und besser. Vor wenigen Jahren konnte er vom Internationalen Suchdienst in Bad Arolsen konkrete Informationen über ihre Gräber erhalten. Nun hat er die Orte in Deutschland besucht, die mit dem Schicksal seiner Onkel verbunden sind. 

Iwan Titov war 1942 in das KZ Buchenwald deportiert worden und wurde nach kurzem Aufenthalt im Konzentrationslager Neuengamme Anfang Januar 1943 in das Außenlager Wittenberge gebracht. Dort kam er am 21. Januar 1943 im Alter von 20 Jahren um. In Wittenberge waren die Häftlinge bei der Phrix-Werke-AG bei der Verarbeitung von Zellstoff eingesetzt. Ein Grabstein für Iwan Titov steht auf dem Russischen Ehrenfriedhof neben dem Rathaus in Wittenberge.

Am gleichen Tag wie sein Bruder, vermutlich irgendwann 1941 oder 1942, war auch Iwans Bruder Nikolaj zur Zwangsarbeit nach Deutschland verschleppt worden. Sein Weg führte vermutlich über Salzgitter in die Region Wittstock. In Wittstock ist er 1945 gestorben und auf dem Russischen Ehrenfriedhof am Bahnhof bestattet. Er war 17 Jahre alt, als er starb.

Die Erinnerung an die beiden nahen Verwandten wachzuhalten und ihr Schicksal zu erforschen, war das Vermächtnis, das seine Mutter Mykola Titov hinterlassen hatte: „Ich fühle mich jetzt erleichtert, dass ich die Grabstätten besuchen konnte und bin allen Menschen dankbar, die mir diesen Besuch ermöglicht haben.“ Das zu formulieren war Mykola Titov wichtig. Jetzt weiß er, dass die lebenslang vermissten Brüder seiner Mutter eine würdige Begräbnisstätte haben. Erde aus dem Heimatdorf und heimatliche Gegenstände hatte er mitgebracht, um sie an den Gräbern niederzulegen und um für die Seelen der Toten ein Licht anzuzünden.

Eingeladen hatte Herrn Titov und seine Tochter Iryna der Freundeskreis der KZ-Gedenkstätte Neuengamme mit Unterstützung der Arbeitsgemeinschaft Neuengamme und der Kirchlichen Gedenkstättenarbeit an der KZ-Gedenkstätte Neuengamme. Dank der Unterstützung durch die KZ-Gedenkstätte Neuengamme, die Stadtverwaltungen in Wittenberge und Wittstock, die Friedhofsverwaltung in Wittenberge und die Gedenkstätte Todesmarsch im Belower Wald konnten Herr Titov und seine Tochter auf ihrer Reise ein wenig mehr über ihre Verwandten und deren Schicksal erfahren. Die Suche nach mehr Informationen aber wird weitergehen.

Es war eine sehr bewegende Begegnung, die wieder einmal deutlich machte, dass die traumatischen Erfahrungen des Krieges auch in den nachfolgenden Generationen gegenwärtig bleiben.

Artikel über den Besuch in der Märkischen Allgemeinen