25.07.2018 Ausstellung

Ausstellung über Deserteure und andere Verfolgte der NS-Militärjustiz

Im Bezirksamt Altona wird vom 28. August bis 21. September 2018 eine Ausstellung zur Wehrmachtgerichtsbarkeit in Hamburg gezeigt, die von der KZ-Gedenkstätte Neuengamme, Dr. Claudia Bade, Dr. Magnus Koch und Lars Skowronski entwickelt wurde. Die Ausstellung dokumentiert die Wehrmachtgerichtsbarkeit in Hamburg mit dem Schwerpunkt auf Biografien: Sie rekonstruiert Lebensläufe, fragt nach Handlungsmotiven und beleuchtet die Hintergründe der furchtbaren Urteilsbilanz.

Hamburg war während des Zweiten Weltkriegs ein bedeutender Wehrmachtstandort: Elf Gerichte sowie weitere Dienststellen der Wehrmachtjustiz führten Zehntausende von Verfahren durch und zeichneten für Hunderte Todesurteile verantwortlich. Im Untersuchungsgefängnis am Holstenglacis und am Standortschießplatz Höltigbaum (Rahlstedt) wurden mindestens 206 der meist wegen Desertion und „Zersetzung der Wehrkraft“ ausgesprochenen Todesurteile vollstreckt. Darüber hinaus verurteilten Wehrmachtrichter Tausende von Wehrmachtangehörigen, zivilen Matrosen, Luftwaffenhelferinnen und ausländischen Kriegsgefangenen zu teils langjährigen Gefängnis- und Zuchthausstrafen. Soldaten und andere Verfolgte, die daraufhin in das System aus „Bewährungs“- und Strafeinheiten gerieten, hatten oft schlechte Überlebenschancen.

Die Ausstellung zeigt zahlreiche Fallgeschichten und Biografien von Verurteilten und rekonstruiert – soweit möglich – die Verfolgungsgeschichten und Handlungsmotive für Entziehungen oder Ungehorsam. Sie stellt das Personal der Wehrmachtjustiz vor, besonders die Richter, die für die furchtbare Urteilsbilanz verantwortlich waren. Die Standorte der Gerichte und Haftstätten im Stadtgebiet und die Zusammenarbeit der Kriegsgerichte mit Polizei, Justiz, Krankenhäusern und Ämtern werden dokumentiert. Schließlich widmet sich die Schau auch der Nachgeschichte: Nach Kriegsende begegneten den Überlebenden Ablehnung und Hass; die Deserteure galten weiterhin als „Verräter“. Überlebende und Angehörige der Verfolgten kämpften lange vergebens für die Aufhebung der Urteile und für Entschädigungen. Die Richter wurden nicht belangt, viele von ihnen setzten ihre Karrieren fort. Erst langsam setzte sich die Erkenntnis durch, dass in der Militärjustiz nur das als Recht galt, was der Wehrmacht nützte. Erst zwischen 2002 und 2009 erkannte der Deutsche Bundestag „Wehrkraftzersetzer“, Deserteure und „Kriegsverräter“ als Opfer der nationalsozialistischen Unrechtsjustiz an. Seit 2015 erinnert in Hamburg in der Nähe des Dammtor-Bahnhofs ein Denkmal an die Deserteure und anderen Opfer der NS-Militärjustiz.

Die Ausstellung wird von der KZ-Gedenkstätte Neuengamme und dem Freundeskreis der KZ-Gedenkstätte Neuengamme e.V. in Zusammenarbeit mit der Bezirksversammlung Altona und dem Bezirksamt Altona im Rathaus Altona präsentiert. Ergänzend gibt es ein Begleitprogramm mit Vorträgen und einer Filmreihe von drei Spielfilmen und einem Dokumentarfilm in Kooperation mit dem Metropolis-Kino. Die Termine finden Sie im Veranstaltungskalender. Die Ausstellung kann während der Öffnungszeiten des Bezirksamtes (Montags bis Donnerstags von 7:00 – 19:00 Uhr und Freitags von 7:00 – 17:00 Uhr) besucht werden.

Ausstellung und Begleitprogramm stehen im Kontext des Forschungsprojekts „Militärjustiz und Stadt im Krieg. Die Gerichte des Ersatzheers in Hamburg und Norddeutschland 1939–1945“. Vom 22.–23. November 2018 findet außerdem die Tagung „Militär und Stadt im Krieg. Herrschaftssicherung und Radikalisierung der NS-Herrschaft in der zweiten Kriegshälfte 1942–1945“ in Hamburg statt.

Die Ausstellung wird eröffnet am Dienstag, den 28. August 2018, um 18.00 Uhr im Kollegiensaal des Rathauses Altona, Platz der Republik 1, Hamburg, mit einem Eröffnungsvortrag von Prof. Dr. Maria Fritsche (Universität Trondheim), die in ihrem Vortrag die Rolle und Urteilspraxis der Wehrmachtgerichte beleuchtet und anhand einiger Fallbeispiele die Auswirkungen auf die Verfolgten skizziert. Eintritt ist frei.

Flyer

Schlagworte: Militärjustiz (10)