08.05.2018 Gedenkveranstaltung

Bericht zum 73. Jahrestag des Kriegsendes und der Befreiung der Konzentrationslager

Die Woche um den 3. Mai 2018 war geprägt von zahlreichen Veranstaltungen rund um den 73. Jahrestag des Kriegsendes und der Befreiung der Konzentrationslager. Zur Gedenkfeier reisten 14 Überlebende des KZ Neuengamme und seiner Außenlager an: Ivan Moscovich und Wim Aloserij aus den Niederlanden, Livia Fränkel aus Schweden, Pascal Valliccioni aus Frankreich, Haim Liss, Nahum Rotenberg, Barbara Lorber und Hana Weingarten aus Israel, Mindu Hornick aus Großbritannien, Natan Grossmann aus Deutschland, Edith Kraus aus Tschechien, Yevgeniy Malykhin und Karl Paiuk aus der Ukraine sowie Nataliya Radchenko aus Belarus. Sie wurden begleitet von Angehörigen, die aus Australien, Belarus, Belgien, Dänemark, Deutschland, Frankreich, Großbritannien, Israel, den Niederlanden, Polen, Schweden, Tschechien und der Ukraine anreisten.  

Der Einladung zu einem Austauschtreffen zur Stärkung der Zusammenarbeit von Nachkommen ehemals Verfolgter des Nationalsozialismus am 1. Mai folgten 35 Nachkommen ehemaliger KZ-Häftlinge und anderer NS-Verfolgter aus mehreren Ländern, darunter Mitglieder aus allen in der Amicale Internationale KZ Neuengamme (AIN) zusammengeschlossenen nationalen Verbände ehemaliger Häftlinge und ihrer Angehörigen. Das Treffen widmete sich insbesondere der Frage, wie sich die Verbände der AIN jungen, bisher nicht organisierten Nachkommen ehemals Verfolgter öffnen können. Ein weiterer Schwerpunkt war der Wunsch von Angehörigen, mit ihren vielfältigen Anliegen öffentlich Gehör zu finden und sich auch international zu vernetzen.

Beim sich anschließenden Forum „Zukunft der Erinnerung“, das zum vierten Mal stattfand, tauschten sich unter Leitung von Dr. Oliver von Wrochem und Swenja-Granzow-Rauwald (beide KZ-Gedenkstätte Neuengamme) 65 Personen über die globalgeschichtlichen Dimensionen des Nationalsozialismus und des Zweiten Weltkriegs sowie deren Bedeutung für die Erinnerungskulturen in den verschiedenen Ländern aus. Dabei wurde auch der Umgang mit Gewaltverbrechen anderer Diktaturen einbezogen. Ein deutsch-belarussisches Jugendprojekt zur Bedeutung der Erinnerung an Deportationen von Jüdinnen und Juden und anderer Verbrechen des Nationalsozialismus präsentierte erste Eindrücke ihrer Begegnung. Das Gymnasium Allee aus Hamburg stellte die Ergebnisse ihres Theaterprojekts „Blickwechsel. Globale Dimensionen des II. Weltkrieges“ vor, welches in Kooperation mit der KZ-Gedenkstätte Neuengamme erarbeitet wurde. Die Schülerinnen und Schüler beschäftigten sich mit der Relevanz des Zweiten Weltkrieges und des Nationalsozialismus für das eigene Denken Handeln. Kinder und Enkel ehemals Verfolgter schilderten im Forum, wie Besatzung und NS-Verbrechen in ihrem Leben bis heute nachwirken. Darüber hinaus wurden Projekte von Gedenkstätten vorgestellt zur Arbeit mit Geflüchteten und zu Verflechtungen  zwischen kolonialem rassistischen Denken und Handeln im Nationalsozialismus.

Am Abend des 1. Mai wurde im Curiohaus in Hamburg das 60jährige Bestehen der AIN gefeiert. Der 1958 erfolgte Zusammenschluss der nationalen Verbände ehemaliger Häftlinge des KZ Neuengamme und ihrer Angehörigen bildete einen wichtigen Motor im Kampf um ein würdiges Gedenken am historischen Ort des KZ Neuengamme. Vertreterinnen und Vertreter der AIN aus verschiedenen Ländern stellten die Entwicklung und das aktuelle Engagement ihrer Verbände vor und diskutieren in einem Podiumsgespräch mit Vertreterinnen und Vertretern der KZ-Gedenkstätte Neuengamme über gemeinsame Projekte. In einem Film schilderten Nachkommen ehemals Verfolgter, weshalb sie sich persönlich in der Erinnerungsarbeit einsetzen. Eine mehrsprachige Ausstellung zur Geschichte der einzelnen Landesverbände wurde gezeigt, die anschließend in der KZ-Gedenkstätte Neuengamme zu sehen war.

Auch dieses Jahr gaben einige Überlebende in Zeitzeugengesprächen Auskunft über ihre Erfahrungen. Am Abend des 2. Mai 2018 berichtete Mindu Hornick im Baseler Hof im Rahmen eines öffentlichen Generationengesprächs über ihre Verfolgung im Nationalsozialismus und ihre Inhaftierung im Außenlager Lübberstedt-Bilohe des KZ Neuengamme. Moderiert von Ulrike Jensen (KZ-Gedenkstätte Neuengamme) sprach sie außerdem mit ihrer Tochter und ihren Enkelkindern darüber, wie diese Erfahrungen ihr weiteres Leben geprägt haben. Am 2. Mai waren es Hana Weingarten, Ivan Moscovich, Livia Fränkel und Pascal Valliccioni, die vorwiegend vor Schülerinnen und Schülern in der KZ-Gedenkstätte Neuengamme über ihre Erfahrungen als Häftlinge des KZ Neuengamme berichteten. Am 4. Mai sprachen Haim Liss und Nahum Rotenberg und Edith Kraus im Studienzentrum der Gedenkstätte mit Schülerinnen und Schülern. In allen Gesprächen nutzten die Jugendlichen die Chance, mit den Überlebenden direkt ins Gespräch zu kommen.

Der 3. Mai war geprägt von zwei internationalen Gedenkveranstaltungen. Die erste fand am Morgen am Cap-Arcona-Ehrenmal in Neustadt/Holstein statt. Hier wurde dem 73. Jahrestag der Bombardierung der KZ-Schiffe in der Neustädter Bucht gedacht. Diese internationalen Gedenkveranstaltung wurde von der AIN in Kooperation mit der Stadt Neustadt/Holstein und der Arbeitsgemeinschaft Neuengamme durchgeführt, etwa 300 Personen nahmen daran teil. Martin Reiter gedachte in einer persönlichen Rede an den niederländischen Überlebenden Wim Aloserij, der am Abend zuvor verstorben war. Die Begrüßung hielten Christine Eckel, Generalsekretärin der AIN und Sönke Sela, Bürgervorsteher der Stadt Neustadt/Holstein. Gedenkreden hielten Yevgenyj Malykhin aus der Ukraine, ehemaliger KZ-Häftling und Überlebender der Schiffskatastrophe sowie Jean-Michel Gaussot, Präsident der Amicale Internationale KZ Neuengamme. Begleitet wurde die Veranstaltung durch eine Lesung aus Häftlingsberichten, die Schülerinnen und Schüler des Küstengymnasiums Neustadt und Mitglieder der Arbeitsgemeinschaft Neuengamme vortrugen. Musikalisch wurde die Veranstaltung durch Bläser des Kirchenkreises Ostholstein begleitet.

Am Nachmittag fand dann die internationale Gedenkveranstaltung der Freien und Hansestadt Hamburg in der KZ-Gedenkstätte Neuengamme anlässlich des 73. Jahrestages des Kriegsendes und der Befreiung der Konzentrationslager statt, an der etwa 350 Personen teilnahmen. Lieder des Kammerchors Altona begleiteten diese öffentliche Veranstaltung, welche mit einer Kranzniederlegung auf dem ehemaligen Appellplatz begann und anschließend im Südflügel der ehemaligen Walther-Werke fortgesetzt wurde. Nach einer Begrüßung durch Dr. Detlef Garbe, Direktor der KZ-Gedenkstätte Neuengamme, sprach Kolja Richter, Enkel eines Häftlings des KZ Neuengamme, einführende Worte zu dem von seinem Vater Ilja Richter verfassten Lied „Das ist unser 8. Mai“. Das Grußwort sprach Carola Veit, Präsidentin der Hamburgischen Bürgerschaft. Sie rief dazu auf, das Andenken an die Ereignisse wach zu halten. „Ich bin sehr dankbar dafür, dass die Opfer von damals heute den Kindern aus dem Volk der Täter vermitteln, was deren Eltern und Großeltern nur zu oft verschwiegen haben“, sagte Veit.

Pascal Valliccioni, Überlebender des KZ Neuengamme aus Frankreich, hatte eine eindrucksvolle Rede vorbereitet, die seine Tochter Pascale Evans verlas, da er befürchtete, von seinen Gefühlen überwältigt zu werden. Sein Bericht wollte er in den Dienst einer noblen Sache stellen, wie er sagte: dem Humanismus, dem Respekt gegenüber Anderen, der Versöhnung. Er wünsche sich, „dass die Tragödie, die meine Kameraden und ich selbst erlebt haben, unsere ganze Jugend dazu inspiriert, diese Werte zu vertreten. Ich wünsche mir, dass die Kinder, Enkel, Urenkel der Opfer und die unserer früheren Peiniger im selben Kampf gegen die Barbarei vereint sind. Das ist das, was wir Deportierten Erinnerungsarbeit nennen. Diese Pflicht zur Erinnerung dient dazu, all jene nicht zu vergessen, die sich geopfert haben um diese Werte zu verteidigen. Sie dient dazu, zu warnen, anzuprangern und die Angriffe auf die Menschenwürde zu verurteilen.“ Marc Van den Driessche, Vorsitzender der Amicale Belge de Neuengamme, Sohn eines Häftlings des KZ Neuengamme, sprach im Anschluss von den Folgen, die die Ermordung seines Vaters für sein eigenes Leben hat. In einem eindrücklichen Appell nahm er die Zuhörerinnen und Zuhörer in die Pflicht, aktiv gegen Unrecht heute einzutreten. Die Klasse 10d des Gymnasium Allee präsentierte abschließend in ihrem Theaterstück „Blickwechsel“ neben Ausschnitten aus Häftlingsbiografien des KZ Neuengamme und anderen Konzentrationslager vor allem Familiengeschichten der Schülerinnen und Schüler. „Was hat meine Familie im Dritten Reich gemacht? Und was hat das mit mir zu tun?“ waren die zentralen Fragen des Stücks, die sowohl die Schülerinnen und Schüler als auch die Teilnehmenden der Gedenkveranstaltung zum Nachdenken anregten.

Programm

Presseberichte

NDR (TV Bericht)

Bergedorfer Zeitung (mit Video)

Hamburger Abendblatt

Reden

Carola Veit

Programm und Reden

Speeches (english)

Programme de la cérémonie commémorative et discours (français)

Программа памятных мероприятий (русский)

Program uroczystości (polski)