15.02.2020 Nachricht

Regisseurin spendet Preisgeld für Gedenkstättenarbeit

Die Regisseurin Viviane Andereggen wurde im Juni 2019 mit dem „Hamburger Krimipreis zu Ehren Jürgen Roland“ ausgezeichnet. Die Filmemacherin hat sich dazu entschieden, das Preisgeld über 10.000 Euro an die KZ-Gedenkstätte Neuengamme zu spenden.

Seit 2008 werden jährlich junge Regisseurinnen und Regisseure für außergewöhnliche Kriminalfilme ausgezeichnet. Der Hamburger Senat stiftet den mit 10.000 Euro dotierten Preis, der nach dem 2007 verstorbenen Jürgen Roland Schellack benannt ist. Der 1925 geborene Schellack war ab 1943 Angehöriger einer Propagandakompanie der Waffen-SS. Nach dem Zweiten Weltkrieg machte der gebürtige Hamburger unter dem Namen Jürgen Roland Karriere in Film und Fernsehen und prägte die deutsche Medienlandschaft. Während der Entnazifizierung wurde er als „unbelastet“ eingestuft.

Auf diese Informationen über die NS-Vergangenheit Jürgen Roland Schellacks stieß auch Viviane Andereggen, als sie vor der Preisverleihung über das Leben und Werk des Namensgebers recherchierte. Teile ihrer Familie wurden als Juden und Jüdinnen von den Nazis verfolgt und ermordet. Vor diesem Hintergrund entschied sich die Filmemacherin, den Hamburger Krimipreis für ihren Fernsehfilm „Rufmord“ nicht abzulehnen, sondern anzunehmen und das Preisgeld an die KZ-Gedenkstätte Neuengamme zu spenden. „Ich will den Preis nicht gegen, sondern für etwas einsetzen“, sagte Viviane Andereggen beim Besuch und der Spenden-Übergabe in der KZ-Gedenkstätte Neuengamme.

Dass sie das Preisgeld für die Arbeit der KZ-Gedenkstätte Neuengamme spenden werde, machte sie bereits bei der Preisverleihung im Juni 2019 öffentlich. In ihrer Dankesrede machte die Preisträgerin auch ihre widersprüchlichen Gefühle deutlich, die sie als eine Nachkommin von ungarischen jüdischen NS-Verfolgten, hat:

„Jürgen Roland hatte eigentlich alles, was er sich gewünscht hat – ein richtig gutes Leben: Erfolg, Liebe, eine Familie und sogar ganz viele Preise, die nach ihm benannt wurden. Und ich glaube, das wünscht sich eigentlich jeder. Es sei ihm total gegönnt, weil er wirklich wunderbares geleistet hat. Einige Teile meiner Familie hatte dieses Glück nicht, denn der Vater meines Großvaters wurde [im KZ] und sein Bruder auf einem Todesmarsch nach Wien ermordet. Die Eltern und der Bruder meiner Großmutter, sowie die Mutter meines Großvaters waren im Budapester Getto und überlebten.“

Nach der Preisverleihung bedankten sich viele Kolleginnen und Kollegen bei Viviane Andereggen für die Rede und sagten, ihnen sei die NS-Vergangenheit Jürgen Rolands nicht bekannt gewesen. Zurzeit wird bei Studio Hamburg, den Organisatoren der Preis-Gala, diskutiert, wie es in Zukunft mit dem Hamburger Krimipreis weitergeht. Für die junge Regisseurin ist das Aufarbeiten der NS-Vergangenheit ein aktuelles Thema. Sie beschäftigt sich privat viel mit der Frage nach den Nachwirkungen der NS-Verbrechen in den Familien. „Diese Ereignisse gehen nicht weg – auch nicht auf Täterseite“, sagt die Filmemacherin. Da die KZ-Gedenkstätte Neuengamme seit vielen Jahren Seminare zur Auseinandersetzung mit den Folgen des Nationalsozialismus in der eigenen Familie anbietet, sieht sie das Preisgeld hier richtig aufgehoben.

Die KZ-Gedenkstätte freut sich über das gespendete Preisgeld: Es wird für das neu angelaufene Projekt „#WaswillstDutun? Ein multimediales Projekt zur Gegenwartsrelevanz von Familiengeschichte in der Zeit des Nationalsozialismus“ verwendet. Beim Projekt treten Nachkommen von im Nationalsozialismus Verfolgten und Jugendliche in einen Dialog zur Bedeutung von Familiengeschichte für ihr eigenes Leben. Unter anderem soll ein Instagram-Projekt und eine Online-Ausstellung erarbeitet werden, die dazu motivieren sollen, sich vor dem Hintergrund der eigenen Familiengeschichte gesellschaftlich zu engagieren.